La Diada – ein Tag im Zeichen der Unabhängigkeit

Morgen ist es wieder so weit. Katalonien feiert wie jedes Jahr am 11. September den Día de Catalunya, den katalanischen Nationalfeiertag, kurz La Diada. An diesem Tag gedenken die Katalanen dem 11. September 1714, an dem Katalonien am Ende des spanischen Erbfolgekrieges seine Unabhängigkeit verlor.

Dann ziehen wieder tausende Katalanen durch die Straßen Barcelonas und demonstrieren für ihre Unabhängigkeit. Sie schwingen die Estelada, die gelb-rot gestreifte Unabhängigkeitsflagge mit einem weißen Stern auf einem blauen Dreieck. Eine Abwandlung der Senyera, der offiziellen katalanischen Flagge.

Referendum im Oktober 2017

Im Oktober 2017 gab es ein Unabhängigkeitsvotum, bei dem mit einer Wahlbeteiligung von 42,5 % der Katalanen 90 % für die katalanische Unabhängigkeit von Spanien gestimmt haben. Da das Referendum jedoch gegen die spanische Verfassung verstieß, wurde auch das Ergebnis nicht anerkannt.

Spanien besteht aus 17 autonomen Gemeinschaften, den sogenannten Comunidades Autónomas. Eine dieser Comunidades ist Katalonien. Die Loslösung einer dieser Gemeinschaften ist jedoch in der spanischen Verfassung gar nicht vorgesehen. Deshalb erklärte die spanische Regierung in Madrid das Referendum für ungültig.

Die katalanischen Politiker riefen am 10. Oktober 2017 trotzdem die unabhängige Republik Katalonien aus – ohne rechtliche Legitimation. Infolgedessen kam es zur Absetzung und Verhaftung katalanischer Regierungspolitiker. Zahlreiche, unter ihnen auch Regierungspräsident Carles Puigdemont, flohen ins Ausland.

Gerichtsprozess und brennende Autos

Zwei Jahre später, im Oktober 2019, verurteile der oberste spanische Gerichtshof, das Tribunal supremo, die Inhaftierten unter anderem wegen Aufruhrs zu 9-13 Jahren Haft. Dieses Urteil hat man in Katalonien als sehr streng empfunden. Deshalb kam es nach der Urteilsverkündung in Barcelona zu Unruhen. Autos und Müllcontainer wurden angezündet.

Die Gründe

Inzwischen zieht sich ein tiefer Graben durch die katalanische Gesellschaft, denn die Hälfte der Katalanen fordert nach wie vor die katalanische Unabhängigkeit. Währenddessen sehnt sich die andere Hälfte nach Ruhe und Stabilität. Auf beiden Seiten wächst der Unmut. Doch woher rührt dieser starke Wunsch nach Unabhängigkeit?

Kulturelle Besonderheiten

Bei einem Blick in die katalanische Geschichte wird schnell deutlich, dass Katalonien eine Sonderstellung einnimmt. Das Land, in dem Antoni Gaudí herausragende Bauwerke, wie die Sagrada Famiglia, errichtet hat, ist stolz auf eine Kultur, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat.

Anlässlich bedeutender Feiertage, wie dem Mercè Fest, das traditionell Ende September gefeiert wird, kommt man nicht umhin, an nahezu jeder Straßenecke auf eine Menschenpyramide, ein sogenanntes Castell, zu stoßen. Die Teilnehmer, Castellers, erklimmen dabei die Schultern ihrer Kollegen und bauen so einen Turm, an dessen Spitze die jüngsten Teilnehmer stehen, die häufig nicht älter als vier Jahre sind.

Außerdem wird in Katalonien catalán gesprochen. Dieses ist neben dem Spanischen, dem castellano, Amtssprache in Katalonien. Es handelt sich hierbei also um eine vollwertige eigene Sprache und nicht nur um einen Dialekt. Das Katalanische ist eine romanische Sprache, die auch Amtssprache in Andorra, auf den Balearen und in Valencia ist.

Führende Wirtschaftskraft

Neben seiner kulturellen Vielfalt erfreut sich Katalonien auch eines großen wirtschaftlichen Erfolgs. Das BIP von Katalonien liegt im landesweiten Vergleich mit 236,8 Mrd. € auf dem zweiten Platz, knapp hinter Madrid.

Tatsächlich florierte die katalanische Wirtschaft früher noch mehr. Seit dem Unabhängigkeitsreferendum und den damit verbundenen Unruhen wurde die katalanische Wirtschaft jedoch von Madrid abgehängt. Zahlreiche internationale Unternehmen verlegten ihre Niederlassungen nach Madrid. Auch der Tourismus ging zurück.

Ein Gefühl von Ungerechtigkeit

In Interviews mit Anhängern der Unabhängigkeitsbewegung spielt der Wirtschaftsfaktor häufig eine übergeordnete Rolle. Viele sind der Meinung, dass Katalonien viel besser dastehen würde, wenn die Steuerzahlungen direkt an Barcelona gezahlt und im Land bleiben würden.

Aktuell leisten die Katalanen ihre Steuerzahlungen an Madrid. Dort werden die Steuern aller Comunidades verwaltet und gemäß dem Solidarprinzip verteilt. Da die Wirtschaftsleistung Kataloniens deutlich höher ist als die anderer Regionen, verzeichnet Katalonien hierbei insgesamt Verluste. Damit sind viele Katalanen nicht einverstanden.

Zurück zu den Anfängen

Ein Blick in die Geschichte Kataloniens erklärt, warum die Wirtschaft für die Region von so großer Bedeutung ist. Ursprung der katalanischen Wirtschaftsleistung ist Barcelona. Dank seiner strategisch perfekten Lage bot es seit jeher einen hervorragenden Ausgangspunkt für den Seehandel. Das haben die Katalanen schon früh erkannt.

Die Grafschaft Barcelona, auf die das katalanische Adelsgeschlecht zurückgeht, förderte die Entwicklung der Region. Im zehnten Jahrhundert wurden Ausbildungsstätten und Klöster errichtet. Außerdem leisteten die umliegenden Klein-Königreiche, die sogenannten Taifas, Schutzzahlungen an Barcelona. So floss viel Geld in die Hafenstadt. Dieses konnte in den Schiffbau investiert werden. Der Seehandel wurde ausgebaut und das Wirtschaftswachstum so gefördert.

Die Region Kataloniens hat sowohl durch ihre Kultur und Sprache als auch durch ihre Wirtschaftsleistung eine Sonderstellung. Doch es gibt noch einen Grund, mit dem sich der Wunsch nach Unabhängigkeit erklären lässt. Katalonien war lange Zeit ein Königshaus, das im Mittelalter in ganz Europa anerkannt war.

Das Königreich Katalonien-Aragón

Durch die Eheschließung zwischen dem Grafen von Barcelona und der Tochter des Königs von Aragón kam es 1137 zu einem Zusammenschluss mit dem Königreich Aragón. Der aus dieser Ehe hervorgegangene Sohn war Graf Alfonso I von Barcelona und gleichzeitig König Alfonso II von Aragón. Mit ihm wurden Aragón und Katalonien zur Krone Aragón zusammengeschlossen.

Dieses Königshaus bestand in direkter Linie bis 1410 und konnte sich bis dahin stetig weiter ausbreiten und entwickeln. Es entstanden Institutionen, wie der Consell de Cent, der Cort General oder die Diputació del General. Die Etablierung dieser Institutionen führte zu einem gewissen Grad der Selbstorganisation des Volkes und zur Einschränkung der Rechte der Krone.

Ende des Adelsgeschlechts von Barcelona

Mit dem Tod von König Martí I starb 1410 der letzte Adelige des Geschlechts Barcelona. Da er keine Nachfahren hinterließ, stellte sich die Frage nach einem Thronfolger. Die Krone fiel zunächst an einen Neffen, der in Kastilien geboren und aufgewachsen war. Seine Bindung zu Barcelona war entsprechend gering.

Durch eine Eheschließung zwischen den Häusern Katalonien-Aragón und Kastilien kam es in der Erbfolge zu einer Situation, in der der König von Katalonien-Aragón auch die Regentschaft von Kastilien übernehmen muss. Mit seinem Tod fiel die katalanisch-aragonesische Krone jedoch vollständig an Kastilien.

Barcelona bleibt standhaft

Doch Barcelona blieb standhaft. So mussten bis 1700 alle kastilischen Könige nach Barcelona reisen, um dort die Eigenständigkeit der katalanischen Verfassung anzuerkennen. Katalonien war also von jeher eine Region, die vehement ihre eigenen Interessen verfolgte und sich dabei stets weiterentwickelt hat.

Verlust der Unabhängigkeit

Nun gedenken die Katalanen am kommenden Samstag dem Tag, an dem Katalonien endgültig seine Unabhängigkeit verlor. Nachdem katalanische Truppen Barcelona ein Jahr lang gegen spanische und französische Truppen verteidigt hatten, mussten sie schließlich kapitulieren. Auch wenn sie noch so sehr versucht hatten sich zu wehren, so fiel die Region nun doch unter die absolutistische Herrschaft der Bourbonen. Dieser Tag besiegelt das Ende eines Königshauses, das sich über Jahrhunderte behaupten konnte und auf ein uraltes Adelsgeschlecht zurückgeht.

Beschneidung von Rechten

In den folgenden Jahren wurden die Eigenständigkeitsrechte Kataloniens stark beschnitten. Die Katalanen unterlagen fortan der zentralistischen Steuerung aus Madrid. Spanisch sollte ihre neue Amtssprache werden. Immer wieder loderten Bestrebungen nach einer Eigenständigkeit Kataloniens auf – jedoch ohne Erfolg.

Das Autonomiestatut

Ein Zeichen für die Eigenständigkeit setzte das Autonomiestatut, das 1932 erstmals in Kraft trat und die Bildung eines katalanischen Parlaments ermöglichte. Jedoch durchfuhr die spanische Republik, wie viele andere Nationen dieser Zeit, ein zunehmender Rechtsruck, der zu enormen Beschneidungen der katalanischen Autonomie führte.

Heute hat jede der 17 Comunidades Autónomas ein Autonomiestatut. In ihm werden die kulturellen Eigenheiten der Gemeinschaften, ihre Geschichte und Institutionen festgehalten. Die Grenzen der Gemeinschaften werden definiert, ebenso wie das Rechtssystem sowie die Rechte und Pflichten der Bürger.

Verbot unter Franco

Mit dem Aufstieg Francos 1939 wurden auch die Bestrebungen des Katalanismus eingedämmt. Franco verfolgte eine konservative zentralistische Politik, die dem deutschen Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus nahestand. Seine Diktatur bestand bis 1975.

In dieser Zeit wurde den Katalanen ebenso wie den Basken und Galiziern verboten, ihre eigene Sprache zu sprechen. Jede Form der kulturellen Individualität war untersagt. Dazu zählten auch die Gedenkfeiern zum katalanischen Nationalfeiertag.

Kultur, Wirtschaft und Geschichte

Die Suche nach den Gründen für das Unabhängigkeitsbestreben der Katalanen hat uns tief in die katalanische Kultur, Wirtschaft und Geschichte geführt. Warten wir nun gespannt auf die Berichterstattungen zur Diada 2021.

Sie interessieren sich für die Geschichte Barcelonas? Dann sollten Sie auf keinen Fall meinen Beitrag zum „Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón verpassen. Ein hervorragender Roman, der sich auch in seiner deutschen Übersetzung sehr gut lesen lässt.

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